Ich sitze im Vorgarten einer Kirche an einer langen Biertischbank, und ein Jude und ein Moslem erzählen Witze über die religiösen Essensvorschriften. Kostprobe: „Steht ein muslimischer Gast bei der Essensausgabe an. Als er dran ist, fragt er die Köchin: ‚Ist in der Erbsensuppe Speck?‘ ‚Och, das geht‘, sagt sie, ‚nur ganz wenig. Die können Sie wirklich essen.‘“
So ging es gestern beim „Dialog auf der Baustelle“ zu, wo die evangelische Kirche in Hamburg-Horn sich ganz überzeugt dafür stark macht, dass ihre Kapernaum-Kirche in eine Moschee verwandelt wird. Eine Kreidezeichnung im Inneren skizziert das zukünftige Aussehen. Von außen soll die Kirche so bleiben wie sie ist; von innen wird sie umgebaut. Die US-Generalkonsulin spricht ermunternde Worte zum Projekt.
Beim Essen ist es leichter Witze zu machen als beim Beten. Wenn man isst, erzählt man sich etwas Persönliches. Ich verrate hier nicht, wer da erzählt hat. Ich sage nur: Es waren zwei hohe Funktionäre der beiden Religionsgemeinschaften. Mit einem emeritierten Pastor im Zwiegespräch bringt mich das auf die wohltuende Rolle des Humors. In Abwandlung einer alten Spruchweisheit könnte man sagen: Wo man Witze macht, da lass dich ruhig nieder / Fundamentalisten lachen einmal und nie wieder. Den jungen Radikalen, mit denen ich in den letzten Monaten spreche, ist eines gemeinsam: Sie sind todernst.
Als Liebhaber der Ideologiekritik beobachte ich in den letzten Jahren gespannt, wie der religiöse Radikalismus das Gesicht der Religion verändert. Und da entdecke ich dann, in der kleinen Broschüre „Religionen: Wege zum Frieden“, die mir von der Hauptkirche St. Michaelis zugesandt wird, ein bemerkenswertes Eingeständnis:
„Religionen halten die großen Friedensvisionen der Menschheit lebendig. Zugleich ist jeder Religion ein alleiniger Wahrheitsanspruch immanent, der Kriege und Feindbilder legitimiert. Insbesondere zwischen der westlich geprägten Welt und dem Islam verfestigen sich heute Feindbilder, mit denen religiöse, politische und kulturelle Dominanzansprüche durchgesetzt werden. Diese Feindbilder zu identifizieren, ist das übergeordnete Ziel des Projektes ‚Wege zum Frieden‘“.
So realistisch sind also die Initiatoren, dass sie den Gedanken wagen, ob es ein geistiges Band zwischen Religion und Krieg gibt, dem man – auch als Religionsgemeinschaft – entgegenwirken muss. Prävention als Mission. Dabei wollen wir anderen, die es eher mit dem unheiligen Descartes halten, gern helfen: De omnibus dubitandum. Denn wie blutrünstig sich entfesselte religiöse Dogmen austoben können, das macht uns IS gerade vor.
Die Reflektivität, die im Humor in Bezug auf die eigene Religion liegt, ist offenbar ein Zivilisiertheits-Indikator.
Kurt Edler